Schon in naher Zukunft könnten Interaktionen im Internet eine neue Dimension der Wertschätzung erfahren. Mikropayments in Webbrowsern wie  Chrome ermöglichen eine revolutionäre Art der Monetarisierung von Content im Web.

Internetnutzende öffnen einen Artikel, der ihr Interesse weckt; während sie lesen, fließen Cent-Beträge – kaum bemerkt – aus ihrem digitalen Wallet direkt an die Autor:innen der Webseite.

Es ist eine stille aber sehr bedeutsame Anerkennung für die Kreativen hinter den Kulissen, die ihre Werke ins digitale Schaufenster stellen.

Für die Content-Produzenten bedeutet dies eine direkte Quelle des Einkommens, die mit jedem Klick und jeder Minute, die ein Besucher auf ihrer Seite verbringt, wächst. Keine Zwischenhändler, keine verzögerten Auszahlungen – nur eine einfache, direkte Transaktion, die sich mit der Zeit zu einem stabilen Einkommen summieren könnte.

Neues Payment Modell als alternative Einnahmequelle zu Werbung und Abonnements

Dieses neue Modell würde nicht nur eine alternative Einnahmequelle zu Werbung und Abonnements bieten, sondern auch die Beziehung zwischen Konsumenten und Schöpfern von Inhalten stärken. Durch die direkte Unterstützung ihrer Favoriten könnten Nutzer Teil eines Ökosystems werden, das Qualität und Engagement über alles stellt – eine Win-Win-Situation für alle, die das Internet zu einem Ort der Entdeckung und des Austauschs machen.

Die Webmonetarisierung könnte erneut an der Schwelle zu einer bahnbrechenden Veränderung stehen: Der Software Engineer  Alexander Surkov hat am 2. Februar 2024 in einer Nachricht an die Google Group „Blink“ die Idee eines faszinierenden Prototypen vorgestellt, der die Art und Weise, wie Webseitenbetreiber durch Mikrozahlungen direkt im Browser finanziert werden können, revolutionieren würde.

Sein Vorschlag basiert auf der Webmonetarisierungsspezifikation, zielt darauf ab, eine direkte und nutzerfreundliche Methode für die Übertragung von Kleinstbeträgen zu etablieren – ein Konzept, das das Potenzial hat, die Abhängigkeit von Werbung und Abonnements zu reduzieren.

Innovative Idee im Prototype Stadium

Surkovs Idee ist innovativ, doch die Umsetzung befindet sich noch in den Anfängen. Mit dem geplanten Meilenstein in Chrome-Version M127 rückt die Realisierung zwar näher, muss jedoch noch entscheidende Schritte durchlaufen. Die Technologie steht vor der Herausforderung, eine umfassende TAG-Überprüfung zu bestehen und die Kompatibilität und Interoperabilität mit bestehenden Webstandards zu gewährleisten. Dieser Prozess ist essentiell, um eine nahtlose Integration in den Browser zu garantieren und die Akzeptanz unter Webentwicklern und Nutzern zu sichern.

Trotz der noch zu bewältigenden Hürden, signalisiert die Entwicklung dieses Prototypen einen signifikanten Fortschritt in Richtung einer neuen Ära der Webmonetarisierung. Es ist ein hoffungsvolles Versprechen für eine Zukunft, in der Content-Ersteller und Webseiteninhaber auf innovative Weise für ihre Arbeit belohnt werden könnten.

Der vorgestellte Prototype basiert auf der Webmonetarisierungsspezifikation, die unter webmonetization.org detailliert beschrieben wird. Diese innovative Webtechnologie ermöglicht es Webseitenbetreibern, Mikrozahlungen von Nutzern zu erhalten, während diese mit ihrem Inhalt interagieren.

Diese sollen für ihre Arbeit entschädigt werden, ohne sich ausschließlich auf Werbung oder Abonnements stützen zu müssen. Einzigartige Merkmale der Webmonetarisierung sind die Möglichkeit von Kleinstbeträgen und das Fehlen einer Nutzerinteraktion – Nutzer zahlen bzw. geben Trinkgelder für Inhalte, während sie diese konsumieren.

Technische Implementation durch HTML Tags

Dies wird durch die Erweiterung des HTML -Elements um das Attribut rel=“monetization“ ermöglicht. Wenn dieses Element in eine Webseite integriert wird, signalisiert es die Unterstützung der Seite für Webmonetarisierung.

In der aktuellen Version der Webmonetarisierungsspezifikation wird das <link>-Element verwendet, um Webmonetarisierung in ein HTML-Dokument zu integrieren. Dabei muss der rel-Wert auf monetization gesetzt werden und der href-Wert muss eine URL sein, die eine für Open Payments aktivierte Wallet-Adresse darstellt, beispielsweise einen Payment Pointer.

Ein HTML-Dokument kann mehrere <link>-Elemente für die Monetarisierung enthalten. Es obliegt jedoch jedem Anbieter von Webmonetarisierungsdiensten (WM provider), zu entscheiden, wie er mit diesem Szenario umgeht. Empfohlen wird, dass die Zahlungen gleichmäßig zwischen den Links aufgeteilt werden.

In der ersten Version der Spezifikation wurden sowohl das <meta>– als auch das <link>-Element unterstützt. Das <meta>-Element unterstützte Payment Pointer in Kurzform (z.B. $wallet.example/alice). Nun wird nur noch das <link>-Element unterstützt, welches keine Kurzform zulässt und verlangt, dass Payment Pointer im URL-Format angegeben werden (z.B. https://wallet.example/alice).

Hat ein Nutzer sein Wallet für eine bestimmte Webseite eingerichtet, startet der Browser automatisch eine Webmonetarisierungssitzung, die direkte Zahlungen vom Nutzer zur Webseite ermöglicht.

Web Monetization - Browserbasierte Website Payments - Revolutionäre Payment Infrastruktur

Web Monetization – Browserbasierte Website Payments – Revolutionäre Payment Infrastruktur

Hinter Webmonetization.org steht eine Initiative, die von Mozilla in Zusammenarbeit mit Coil und Creative Commons unterstützt wird, um Einzelschaffende zu ermächtigen und ein alternatives Geschäftsmodell für Online-Inhalte zu fördern. Diese Initiative, bekannt als „Grant for the Web“, wird von der Interledger Foundation verwaltet, die ein gesundes und dynamisches Ökosystem von webmonetisierten Tools, Inhalten und Ressourcen anstoßen und unterstützen will.

Coil ist ein Unternehmen, das 2018 gegründet wurde, um ein besseres Geschäftsmodell für das Web zu entwickeln. Die Plattform von Coil wurde entwickelt, um es Inhaltschaffenden, Herausgebern und Plattformen zu erleichtern, ihre Inhalte im Internet zu monetarisieren. Coil ermöglicht es Mitgliedern, Inhalte zu genießen, während es über einen vorgeschlagenen offenen Webstandard namens Web Monetization Mikrozahlungen in Echtzeit an einzelne Schöpfer und Websites überträgt. Die Mitglieder zahlen eine monatliche Gebühr, die den Zugang zu diesen monetarisierten Inhalten ermöglicht und gleichzeitig die Schöpfer direkt unterstützt.

Coil hat in Partnerschaft mit Mozilla und Creative Commons auch den „Grant for the Web“ ins Leben gerufen, um offene, faire und inklusive Standards sowie Innovationen in der Web Monetization zu fördern. Das Unternehmen hat sich allerdings im Jahr 2023 entschieden, seine Produkte und Entwicklungsanstrengungen einzustellen und hat die Verantwortung für die Weiterentwicklung von Interledger an die Interledger Foundation übergeben. Coil hat es sich zur Aufgabe gemacht, Inhaltschaffenden alternative Einnahmequellen abseits von Werbung und abonnementbasierten Modellen zu bieten.

Die Interledger Foundation wiederum ist eine Organisation, die sich für den Aufbau eines offenen und gerechten Finanzökosystems einsetzt und das Interledger-Protokoll unterstützt, das als Grundlage für die Technologie der Webmonetarisierung dient. Diese Organisation treibt die Entwicklung von offenen Standards und Protokollen für Zahlungen im Internet voran, um verschiedene Zahlungsnetzwerke miteinander zu verbinden und die Kosten für den Geldtransfer zu senken.

Webmonetization.org selbst ist eine Plattform, die die Web Monetization API präsentiert. Diese ermöglicht es Webseiten, automatisch und passiv Zahlungen von Besuchern zu erhalten, die Web Monetization-fähige Browser oder Erweiterungen nutzen. Die Idee dahinter ist, dass Web Monetization als offener Webzahlungsstandard vorgeschlagen wird, der Streaming-Zahlungen für die Arbeit von Kreativen auf Plattformen, auf denen Monetarisierung aktiviert ist, ermöglicht. Die Technologie zielt darauf ab, den lang bestehenden Mangel an Transfermöglichkeiten für Geld auf der Webplattform zu beheben, indem sie eine offene, native, effiziente und automatische Möglichkeit bietet, Schöpfer zu entschädigen und für Inhalte zu bezahlen.

Die zugrundeliegende Technologie für diese Zahlungsströme ist das Interledger-Protokoll, das verschiedene Zahlungsnetzwerke miteinander verbindet und eine einfache, interoperable und währungsneutrale Methode für die Übertragung kleiner Geldbeträge bietet. Dies ebnet den Weg für „Streaming-Geld“, das mehr Anwendungsfälle für Webmonetarisierung ermöglicht.

Wie funktioniert dieses revolutionäre System der Monetarierung von Content im Web?

Das System der Content-Monetarisierung, wie es im Prototyp vorgeschlagen wird, basiert auf der Idee, Mikrozahlungen als Weg für Content-Ersteller und Website-Betreiber zu nutzen, um direkt durch die Interaktion der Nutzer mit dem Inhalt Geld zu verdienen.

Und so könnte das Webmikropayment funktionieren:

Integration im Browser

Die Webmonetarisierung würde in den Browser integriert, typischerweise durch eine Erweiterung des HTML-Standards. Im Falle von Chrome würde dies durch die Einführung eines neuen Features erfolgen, das Mikrozahlungen während des Surfens ermöglicht.

Implementierung des HTML-Tags

Webentwickler würden ihre Seiten mit einem speziellen Link-Tag kennzeichnen, das auf ein digitales Wallet verweist, welches Zahlungen empfangen kann. Dieses Tag würde im Quellcode der Webseite platziert. Und so führt eins zum anderen…

Wallet-Setup

Nutzer, die Inhalte konsumieren möchten, würden ein digitales Wallet einrichten und mit Geld aufladen, das für Mikrozahlungen verwendet werden kann. Dieses Wallet wäre mit dem Browser oder einem Plugin verknüpft.

Automatische Zahlungen

Beim Besuch einer Webseite, die für Webmonetarisierung konfiguriert ist, würde der Browser automatisch eine Zahlungssession starten, die Geld vom Wallet des Nutzers in Echtzeit an das Wallet des Website-Betreibers sendet.

Mikrozahlungen

Die Zahlungen wären in der Regel sehr klein, im Sinne von Mikrozahlungen, und würden basierend auf der Interaktion des Nutzers mit dem Inhalt oder der auf der Seite verbrachten Zeit berechnet.

Finanzierung des Systems

Die Grundidee ist, dass Nutzer für den von ihnen konsumierten Inhalt bezahlen, ähnlich wie bei einem Abonnement, jedoch pro Nutzung also auf Basis webbasierter Interaktionen. Das System könnte sich selbst finanzieren, indem es einen kleinen Prozentsatz der Transaktionen als Gebühr einbehält.

Vorbereitung auf Wallet-Implementierung

Dies könnte in der Tat eine Vorbereitung auf eine breitere Wallet-Implementierung sein. Browserbasierte Wallets könnten in Zukunft nicht nur für Mikrozahlungen, sondern auch für andere Arten von Online-Transaktionen genutzt werden.

Ziele des Prototypings von webbasierten Micropayments

Das Ziel des Prototyps ist es, eine Nutzererfahrung zu schaffen, die nahtlos und frei von aufdringlicher Werbung ist, während gleichzeitig eine faire Vergütung für Content-Ersteller sichergestellt wird. Die Herausforderung besteht darin, ein Gleichgewicht zwischen Nutzerfreundlichkeit, Sicherheit und einem nachhaltigen Geschäftsmodell zu finden.

Die Motivation hinter dieser Technologie ist es, ein neues Einnahmemodell für Content-Ersteller und Webseitenbetreiber zu bieten, das es ihnen erlaubt, von ihrer Arbeit zu profitieren, während Nutzer ihren Inhalt konsumieren. Zudem fördert es freiwillige Nutzerbeiträge wie Trinkgelder, die die Ersteller direkt für den Wert belohnen, den ihr Inhalt bietet.

Die Technologie befindnet sich also noch in einem frühen Stadium. Nach aktuellen Bekunden sollen durch die Integration auch keinerlei Risiken in Bezug auf Interoperabilität und Kompatibilität bestehen, seitens Gecko oder WebKit gibt es noch keine Reaktion von Gecko oder WebKit.

Das Interesse der Entwicklerteams hinter den zwei anderen großen Browser-Engines, Gecko und WebKit dürfte aber ebenfalls groß sein, sobald Chrome diese Implementierung realiert. Gecko ist die Engine, die Mozilla Firefox antreibt, während WebKit die Grundlage für Safari von Apple bildet.

Grundsätzlich ist die breite Unterstützung oft entscheidend für den Erfolg und die Verbreitung neuer Webtechnologien, da sie die Kompatibilität und Funktionalität über verschiedene Plattformen und Geräte hinweg sicherstellt.

Jedoch hat eine kleine Anzahl von Webentwicklern ihre Webseiten bereits in Erwartung der Unterstützung durch Web/Browser für diese Funktion konfiguriert. Die bisherige Methode zur Einrichtung der Webmonetarisierung über das HTML:meta-Tag erreichte eine Adoption von 0,03% im Web.

Dieser Prototype markiert einen potenziell revolutionären Schritt in der Art und Weise, wie Inhalte online monetarisiert werden können, und könnte eine willkommene Alternative zu den traditionellen Methoden der Werbefinanzierung und Abonnements darstellen. Mit der anstehenden Implementierung und weiteren Entwicklung könnte diese Technologie die Optionen zur Monetariseirung von Content im Web revolutionieren!

Mikro Payments & Wallet basierte Identitäten

Die Webmonetarisierung stellt eine nahtlose Verbindung zwischen dem Browsing-Erlebnis und finanziellen Transaktionen her, indem sie die Identifikation von Wallets mit der Zahlungsabwicklung verknüpft. Nutzer, die monetarisierte Inhalte konsumieren, verfügen über ein digitales Wallet, das über eine einzigartige ID verfügt.

Diese ID, auch als Payment Pointer bekannt, wird von der Webseite, die monetarisiert werden soll, über ein-Tag eingebunden. Wenn ein Nutzer, der ein Webmonetarisierung-fähiges Wallet besitzt, auf solch eine Webseite zugreift, erkennt der Browser das-Tag und leitet automatisch Mikrozahlungen an das Wallet des Inhaltschaffenden weiter.

Diese Transaktionen sind in Echtzeit und ermöglichen es dem Content Creator direkt für seine Inhalte bezahlt zu werden, während die Nutzer eine ad-freie und abonnementfreie Erfahrung genießen. Die Technologie im Hintergrund sorgt dafür, dass die Zahlungen netzwerk- und währungsübergreifend verarbeitet werden können, was ein offenes und alternatives Ökosystem für Online-Transaktionen schafft.

Über den Autor:

Sascha Block - Rock the Prototype

Sascha Block

Ich bin Sascha Block – IT-Architekt in Hamburg und der Initiator von Rock the Prototype. Ich möchte Prototyping erlernbar und erfahrbar machen. Mit der Motivation Ideen prototypisch zu verwirklichen und Wissen rund um Software-Prototyping, Softwarearchitektur und Programmierung zu teilen, habe ich das Format und die Open-Source Initiative Rock the Prototype geschaffen.